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Haftung des Arbeitnehmers: Wer zahlt, wenn etwas kaputtgeht?

Publiziert: 28. Juli 2025

5 Min

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Anna Längström, Legal Consultant

Ein Moment der Unachtsamkeit – und schon ist der Seitenspiegel des Firmenwagens beschädigt oder das Notebook fällt zu Boden. Im Arbeitsalltag ist das keine Seltenheit. Doch wer haftet eigentlich, wenn durch den Arbeitnehmer ein Schaden entsteht? In diesem Beitrag zeigen wir, welche Haftungsregeln gelten, wo die Unterschiede liegen und worauf Arbeitgeber besonders achten sollten.

Was das Gesetzt sagt

Die Haftung des Arbeitnehmers ist in Art. 321e OR geregelt. Dieser besagt, dass Arbeitnehmende für Schäden haften, die sie dem Arbeitgeber fahrlässig zufügen. Aus dieser Formulierung ist jedoch nicht ersichtlich, unter welchen Voraussetzungen diese Schadenersatzpflicht greift und welche Abstufungen dabei möglich sind.

Vorsatz, Fahrlässigkeit – wo liegt der Unterschied?

Klar ist: Wer absichtlich einen Schaden verursacht, muss diesen vollumfänglich selbst tragen. Das gilt etwa, wenn der Arbeitnehmer aus Wut das Notebook an die Wand wirft und es dabei kaputt geht. In solchen Fällen greift auch die Haftpflichtversicherung des Arbeitnehmers nicht, sondern dieser muss den Schaden aus eigener Tasche bezahlen. 

Fahrlässigkeit ist nicht gleich Fahrlässigkeit

Schwieriger wird es bei fahrlässig verursachten Schäden. Prinzipiell sind diese laut Gesetz durch den Arbeitnehmer zu ersetzen, aber es gibt bei der Fahrlässigkeit diverse Abstufungen, die wiederum Ausnahmen zu lassen.

Grobe Fahrlässigkeit

Grobe Fahrlässigkeit bedeutet, dass ein Schaden durch genügende Befolgung von Anweisungen und Regelwerken vermeidbar gewesen wären. Man spricht davon, wenn ein Verhalten vorliegt, das bei gesundem Menschenverstand klar anders hätte ausfallen müssen – also Situationen, bei denen man sich unweigerlich fragt: „Wie konnte das nur passieren?“

 Beispiele:

  • Unsachgemässe Bedienung einer Maschine trotz vorheriger Instruktion
  • Schaden am Firmenfahrzeug durch grobe Missachtung der Verkehrsregeln
  • Nachlässiger Umgang mit wertvollem Arbeitsmaterial, welches dadurch unbrauchbar wird
  • Aufbewahrung eines Notebooks an einem ungeeigneten oder verschmutzten Ort

Mittlere Fahrlässigkeit

Komplizierter wird es bei der mittleren Fahrlässigkeit. Hier entscheiden die Gerichte überwiegend so, dass der Schaden anteilig vom Arbeitnehmer und vom Arbeitgeber getragen wird.

Leichte Fahrlässigkeit

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Diese Fälle kommen im Alltag am häufigsten vor – und führen am meisten zu Diskussionen. Gemeint sind kleine Unachtsamkeiten oder Missgeschicke, die nicht beabsichtigt waren. Zwar besteht auch hier grundsätzlich eine Haftung, doch in der Praxis wird diese vom Gericht meist auf ein Minimum reduziert. Dabei werden folgende Kriterien berücksichtigt:

  • Schwierigkeit der Aufgabe (Berufsrisiko)
  • der Bildungsgrad und die Fachkenntnisse
  • sowie die Fähigkeiten und Eigenschaften des Arbeitnehmers

Handelt es sich um eine komplexe Arbeit, bei der auch geübten Fachleute Fehler unterlaufen können, kann das Gericht komplett von der Haftung absehen.

Normaler Verschleiss ist kein Haftungsfall

Ein häufiges Missverständnis: Arbeitsmittel wie Werkzeuge, Laptops oder Maschinen müssten beim Austritt vom Arbeitnehmer in „perfektem Zustand“ zurückgegeben werden. Doch jede Nutzung führt zwangsläufig zu Abnutzung und teilweise zu Ersatz – und diese ist nicht haftpflichtig. Das Risiko solcher Verluste muss in gewissem Umfang durch den Arbeitgeber einkalkuliert werden.

Pauschale Haftungsanerkennungen im Arbeitsvertrag sind deshalb problematisch und können durch den Arbeitnehmer leicht angefochten werden. Verfügt der Arbeitnehmer über eine private Haftpflichtversicherung, so kommt diese in aller Regel für den Schaden auf.

Privates Arbeitsmaterial – was gilt bei Schäden?

Was, wenn ein Arbeitnehmer das eigene Auto für Kundenbesuche nutzt und dabei ein Schaden entsteht? Im Falle einer leichten Fährlässigkeit kann hier tatsächlich der Arbeitgeber haften – auch wenn es sich nicht um ein Firmenfahrzeug handelt.

Das Auto ist in diesem Fall ein Arbeitsmittel, welches zur Ausübung der Tätigkeit notwendig ist. Idealerweise wird im Arbeitsvertrag geregelt, wie mit Schadenfällen umgegangen wird – zum Beispiel mit einer Abgeltung über die Fahrzeugpauschale. Sehr oft wird aber die Regelung von Schadenfällen vergessen, da sich die Pauschale hauptsächlich auf eine Kostenbeteiligung an der Versicherung an sich bzw. den Ausgleich der Abnutzung beschränkt. Es besteht aber die Möglichkeit, diese Sonderform der Schäden miteinzuschliessen, sodass der Arbeitgeber diese pauschal vergütet und der Arbeitnehmer hinterher seine eigene Versicherung beansprucht. Alternativ wäre auch eine Abwicklung über die Haftpflichtversicherung des Arbeitgebers denkbar, wobei es sich hier empfiehlt, solche Konstellationen explizit in der Police zu regeln.

Darf der Arbeitgeber den Schaden einfach vom Lohn abziehen?

Ja – aber nur unter bestimmten Bedingungen. Damit ein Schaden direkt mit dem Lohn verrechnet werden kann, müssen folgende Punkte erfüllt sein:

  • Die Forderungen (Schadenersatz und Lohn) müssen jeweils zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber bestehen.
  • Die Schadenersatzforderung muss fällig sein und die Forderung des Lohnes erfüllbar.
  • Es muss sich um gleichartige Forderungen handeln (z.B. Geldforderungen).

Insbesondere für Forderungen aus leichter Fahrlässigkeit muss das betreibungsrechtliche Existenzminimum gemäss Art. 93 SchKG eingehalten werden. Übersteigt die zu verrechnende Forderung diesen Betrag, darf sie erst in einem weiteren Lohnlauf verrechnet werden. Bei grobfahrlässigen oder absichtlich verursachten Schäden muss das Existenzminimum nicht eingehalten werden (vgl. Art. 323b Abs. 2 OR).

 Bei Taggeldern ist besondere Vorsicht geboten. Diese können nicht ohne weiteres mit Schadenersatzforderungen verrechnet werden und erfordern eine individuelle Beurteilung.

Fazit: Klare Regeln schaffen Sicherheit für alle

Schäden am Arbeitsplatz lassen sich nicht immer vermeiden. Umso wichtiger ist es, klare Regeln zu haben: im Arbeitsvertrag, in den Einsatzbedingungen und im Umgang mit Arbeitsmitteln. So vermeiden Sie nicht nur Unsicherheit, sondern auch unnötige Diskussionen und Kosten.

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Anna Längström

Legal Consultant

Anna ist nach einer Laufbahn in der Seefahrt seit 10 Jahren als Juristin schwerpunktmässig im Arbeits- und Sozialversicherungsrecht tätig. Sie hat sich zur eidg. dipl. Sozialversicherungsfachfrau weitergebildet und bei einer Sozialversicherungsanstalt gearbeitet. Durch ihre weiteren Tätigkeiten bei einer Rechtsschutzversicherung und als Corporate Legal Counsel eines internationalen Modeunternehmen ist sie es gewohnt, Betriebe unter Zeitdruck in schwierigen Situationen zu beraten.

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